1891–1906 Kindheit, Elternhaus

Gert Caden ist der Künstlername von Ernst Richard Gerd Kaden, der am 10. Juni 1891 in Berlin zur Welt kam. Der Vorname Ernst geht auf den Großvater Ernst Kaden zurück. Dieser gründete 1857 eine Privatschule in Dresden-Neustadt und führte sie als Direktor viele Jahre.

[In Anführungszeichen gesetzte Stellen sind Zitate aus den Quellen oder
Bildtitel. Kursive Auszeichnungen kennzeichnen Titel von Büchern oder
hervorgehobene Begriffe].

„Großvater väterlicherseits: weißbärtiger Schuldirektor […]; Großmutter väterlicherseits: liebenswürdige, lebendige Frau Therese; Großvater mütterlicherseits: Bamberger, gefallen als Jäger-Offizier 1866; Großmutter mütterlicherseits: Sophie Bamberger, geb. Krüger, […] eine kleine, rundliche, sehr gescheite, sehr bürgerliche Dame“.

Vater Richard Kaden war zur Zeit der Geburt als Primierleutnant der Sächsischen Armee „im 3. Jahr auf Kommando auf der Kriegsakademie in Berlin“.

Die Mutter Olga, geb. Bamberger, stammte ebenfalls aus einer Offiziersfamilie. Ihr Vater fiel 1866 in der Schlacht bei Gitschin (Jičín). Gert Caden hatte zwei ältere Brüder:

  • Hans Kaden, geb. am 25. Juli 1887, studierte klassische Philologie in München, Berlin und Gießen und promovierte. Hans wurde im 1. Weltkrieg zweimal verwundet, fiel am 10.6.1916 in Frankreich.
  • Helmuth Kaden, geb. am 25.2.1889, studierte Kunstgeschichte, wurde dann aber Berufsoffizier. Er fiel bereits zu Beginn des 1. Weltkrieges am 7.9.1914 in Frankreich.

Eltern- und Großelternhaus waren streng protestantisch und konservativ. Großvater Ernst machte sich verdient bei der Entwicklung des Stadtteils Weißer Hirsch in Dresden (Mitwirkung bei der Errichtung der Kirche durch Nicolai Stange, Gründung des Verschönerungsvereins u. a. m.). Die Familie zeigte zwar großes Interesse für Kultur und Kunst, aber eine Künstlerlaufbahn in der Familie selbst war ungern gesehen.

Die militärische Laufbahn von Vater Richard brachte es mit sich, dass regelmäßige Standortwechsel erfolgten. Im Oktober 1891 zog die Familie nach Zwickau und bereits 1892 nach Dresden in die Villa Antonstraße 1 am Albertplatz (heute Kästner-Museum), dann folgt 1894 wiederum ein Umzug nach Leipzig.

1896 wurde Gert in Chemnitz eingeschult. „Konnte mich nicht einordnen, war frech und undiszipliniert, verwöhnt, fühlte mich als Herrensöhnchen. Bekam eines Tages vom Lehrer fürchterliche Hiebe“.

1898 wurde der Vater nach Dresden ins Kriegsministerium versetzt, das sich im Blockhaus an der Elbe befand. Es wurde eine Villa in der Schillerstraße 11 (heute Bautzner Str.), Ecke Stolpener Straße gekauft (1958 als Kriegsruine abgetragen). Die Schule in Dresden war die 4. Bürgerschule in der Tieckstraße. Dort verspürte Gert erstmals den Standesdünkel zwischen Söhnen unterschiedlicher Herkunft.

1900 kommt Gert Caden ans Neustädter Gymnasium in der Holzhofgasse, wo bereits seine Brüder lernen. Gern denkt Gert an Dresdens Umgebung mit Heide, Sächsischer Schweiz, der Elbe mit ihren Dampfern und Schwimmbädern zurück, als er ein Jahr später schon wieder in eine andere Stadt mit neuer Schule  umziehen muss. Denn 1901 erfolgt die Versetzung des Vaters nach Leipzig-Gohlis. In Leipzig bleibt Vater Richard volle zehn Jahre als Stabsoffizier beim 107. Infanterieregiment. Die Kinder kommen aufs Albert-Gymnasium, ab 1903 aufs Realgymnasium. Erste Gefühle für Mädchen werden entdeckt: „Auf der Schkeuditzer Strasse, schräg gegenüber wohnten zwei Mädchen – seligen Andenkens – eine Blonde und eine Schwarze. […] Ich liebte beide, konnte mich schon damals nicht entscheiden und schrieb an die Blonde Liebesbriefe auf kleinen Zetteln. […]“ Die Sache wird vom Vater entdeckt und führt zum ersten Zerwürfnis. Auf dem Realgymnasium (Nicolaischule) fühlt sich Gert sehr wohl. Der Zeichenlehrer ist der damals sehr bekannte Tiermaler Prof. Flinzer. Gert erfreut sich an dem quirligen Treiben zur Leipzige Messe. Das „unendliche Gedudel der elektrischen Klaviere“, die Catch-Vorführungen, das Jauchzen von den Hochschaukeln und der Geruch nach gerösteten Mandeln auf den Jahrmärkten hinterlassen bleibende Eindrücke.

Die großen Ferien werden regelmäßig in Rewahl, einem Fischerdorf an der Ostsee (heute polnisch Rewal), verbracht. Bereits die Reise dahin mit Zwischenaufenthalten in Berlin und Stettin mit dem großen Hafen, die Eisenbahnfahrt entlang der Küste durch Buchenwälder mit gelegentlichen Durchblicken zum Meer bereiten Vorfreude. Gert Caden macht Bekanntschaft mit gleichaltrigen Freunden und Freundinnen, mit interessanten Menschen, wie dem englischen Maler Pattison, in dessen Haus Gert „die ersten guten und beneideten Ölstudien des Meeres sah“.

Im Rückblick notiert Gert Caden: „In Rewahl war ich das letzte Mal im Jahre 1908, vor 51 Jahren, aber immer lebte in mir die Sehnsucht, diesen Ort meiner ersten, starken Jugend-Eindrücke, von denen ich als Junge oft geträumt habe, wiederzusehen. An all diesen Menschen-Begegnungen orientierte sich meine Beobachtungsgabe, mein instinktives Einordnen von Menschen in ihre jeweiligen Klassen-Beziehungen (fast nach dem Geruch!).“

Zurück von den Ferien geht Gert gern zum Unterricht, denn er ist wissbegierig und hat hier seine Freunde. Mit 15 Jahren ist es das größte Vergnügen für Gert, die Kunstmuseen zu besuchen oder zu zeichnen. Ihn „packte eine unglaubliche Lust zu zeichnen“. Er studiert aus Büchern die Werke der Worpsweder Maler, die von Meunier, Stuck (Akt), Klinger (Symbolik und feine Technik). „Meine Eltern verfolgten dieses Interesse mit Besorgnis.“ Zuhause fühlt er sich unwohl, entfremdet sich immer mehr von Vater und Mutter. Tagelang spricht er nicht mit ihnen. Als ihn der Vorschlag gemacht wird, ins Kadetten-Corps nach Dresden zu gehen, leistet Gert keinen Widerspruch. Er ahnt nicht, was ihn erwartet und dass seine künstlerischen Ambitionen auf Jahre unterbrochen werden.

Rückblickend schreibt er: „Trotzdem habe ich an der neu beginnenden Zeit auch viel Positives gelernt, das Einfügen ins Kollektiv, die Disziplin, den Zwang, Augen und Ohren offen zu halten und außerdem eine kräftige sportliche Ausbildung, die eine gute Grundlage für mein ganzes späteres Leben legte.“ (später hinzugefügt: „und gelernt: zu schweigen (!)“)