Untergrund-Arbeit gegen das Nazi-Regime

Die sozialen Spannungen nehmen aufgrund der Weltwirtschaftskrise zu. Die Nationalsozialisten gewinnen Zulauf, der Antisemitismus verstärkt sich rasch. Straßenschlachten finden statt. Am 29.10.29 gab es den Börsen-Crash, den „Schwarzer Freitag“. Im November 1929 besuchen Gert Caden, Maja, Ilse und Hans Winge eine von der SPD veranstaltete Aufführung der Agitprop-Truppe „Rotes Sprachrohr“ im Friedrichshain. Diese Truppe hinterlässt aufgrund „ihrer konzentrierten Spielweise mit einfachsten Mitteln, klarer Sprache“ über komplexe sozial-ökonomische Themen einen enormen Eindruck. Gert Caden ist begeistert. Der Reichstagsabgeordnete der KPD Ernst Schneller kommt an den Tisch. Es entspinnt sich eine Unterhaltung, die ihre Fortsetzungen finden wird.

Ernst Schneller nimmt Gert Caden mit zu Sitzungen des Reichstages. Durch den Einfluss Schnellers und innerlich vorbereitet, entscheiden sich Gert und Maja Caden 1930, Mitglieder der KPD zu werden. „Die Entscheidung war gefallen.“ Ein Schnelldurchgang auf der MASCH (Marxistische Arbeiterschule) wird absolviert. Kurse in Politischer Ökonomie bei Hermann Duncker, Geschichte bei Ernst Schneller, Lohn-Preis-Profit bei Dengel. (Ein Instrument war gefunden, mit dem sich viele der Fragen beantworten ließen. Das alte, verhasste, autoritäre System wurde abgeschüttelt. Das neue versprach Hoffnung auf Lösung der sozialen Probleme, der Gerechtigkeitsfragen und Freiheit, die jedoch bedingt war durch „Einsicht in die Notwendigkeit“. Die Welt wird nun dialektisch betrachtet.)

Entscheidungs-Motiv

In der Zentrale der KPD, dem Karl-Liebknecht-Haus, wird Gert Caden mit dem Reichstagsabgeordneten Hans Kippenberger bekannt gemacht. Kippenberger erkennt, dass Ausbildung, Vorgeschichte und Haltung prädestiniert sind für eine Funktion im Abwehrapparat der Partei. Gert Caden erhält den Decknamen Schellow. Sein Aufgabenbereich ist in erster Linie, Informationen über die Entwicklungen in den rechts-nationalen Organisationen wie Der Stahlhelm, die Deutsche Nationale Volkspartei (DNVP) unter Hugenberg und die Reichswehr zu beschaffen. Die zahlreichen Beziehungen von früher erleichtern den Zugang zu interessanten Leuten. Er wird Untermieter bei Freiherr Werner von Rinck-Baldenstein, Oberstleutnant im Reichswehr-Ministerium. Dessen Ehefrau Thyra ist eine geborene von der Decken – ein bekanntes sächsisches Adelshaus. Durch Oberstleutnant v. Rinck ergeben sich weitreichende Beziehungen zu maßgeblichen Personen. Dazu gehören u. a.: Franz von Papen, späterer Reichskanzler, Freiherr von Hammerstein, Chef der Heeresleitung, Major Papst (verantwortlich für die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und Gründer der „Gesellschaft zum Studium des Faschismus“), des Weiteren General von Cochenhausen, Leiter der „Wehrwissenschaftlichen Gesellschaft“. Durch Frau von Cochenhausen lernt Schellow den Oberst Nicolai kennen, der Chef des Deutschen Geheimdienstes war (schon im 1. Weltkrieg Leiter der Abt. IIIb des Generalstabs).

Gert Caden führt nun ein Doppelleben. Tagsüber arbeitet er im Künstleratelier Nachodstraße. Schellow wird Mitglied der „Gesellschaft zum Studium des Faschismus“, der „Wehrwissenschaftlichen Gesellschaft“ sowie im „Stahlhelm“, woraus sich wiederum ergiebige Quellen eröffnen. Schellow trifft sich jede Woche konspirativ mit Kontaktperson Rudi (Leo Roth). Rudi ist befreundet mit Grete, der jüngsten Tochter des Generals v. Hammerstein. [Recht umfassende Ausführungen hierzu enthält das literarische Meisterstück von Hans Magnus Enzensberger Hammerstein oder der Eigensinn, Suhrkamp 2008.]

Das letzte Jahr der Weimarer Republik ist unruhig. „In Hamburg wird gekämpft. […] Von Papen wird Reichskanzler […] . Ihm folgt der General von Schleicher. In diesen aufregenden Monaten treffe ich mich oft mit Richard Linsert [Ludwig/Vorgänger-Kontaktmann von Rudi], Rudi, Georg und anderen Freunden und verkehre in den Familien R., Böckmann, Wallenberg, Wienskowski, Cochenhausen […] Überall wird die Lage besprochen. Schon ist es keine Frage mehr, dass die National-Sozialisten die Macht ergreifen werden, fraglich ist nur der Zeitpunkt, wann das geschehen wird.“

Schellow verfolgt die Entwicklung genau, die Rivalitäten zwischen SA und Stahlhelm, den Einfluss durch die Industrie und die Planungen im Reichswehrministerium. „Unerwartete Unterstützung seiner Aktivitäten findet Schellow bei Frau v Rinck. (Ihm ist nicht klar, ob diese Hilfestellung bewusst oder unbewusst ist.) Auf jeden Fall schafft sie wichtige u. für die Situation ausschlaggebende Beziehungen und Informationen.“

Nach der Machtergreifung der Nazis am 30. Januar 1933 geht sofort der Terror gegen politische Gegner los. Parteien werden verboten, Funktionäre der KPD, wie Thälmann und Schneller, verhaftet oder ermordet. Rudolf Mosse, Schwager von Maja und Gert Caden, wird im Juni 1933 ermordet, Jonny Schehr im Februar 1934. Schehr versteckte sich 1933 zweimal im Atelier von Schellow. Die Nazis erlassen Haftbefehl und Steckbriefe gegen Hans Kippenberger alias Alex. Der verbringt die Nacht vor seiner Flucht noch im Atelier von Schellow. Ein Auto fährt ihn nach Prag. [Kippenberger wurde 1937 in Moskau in der Ljubljanka von Stalins Apparat hingerichtet. s.o. H. M. Enzensberger]

Im Februar 1934 treffen sich Gert und Maja Caden, Ruth Herrmann in Lugano, wo sich Ilse Kaden mit ihrer Tochter Vera bereits eingerichtet haben. Bis Juni wird die Zeit genutzt, um eine neue Abform-Technik für Gipsmasken zu erlernen, wobei eine Naturfasermasse zum Einsatz kommt. Dieses Verfahren sollte später für die illegale Arbeit von großem Nutzen sein. Nach diesen gemeinsamen Monaten trennen sich die Wege vorerst in verschiedene Himmelsrichtungen. Gert Caden und Ruth wollen zurück nach Deutschland. Am 30. Juni erfahren sie in Zürich vom Röhm-Putsch. Sie reisen direkt mit dem Nachtschnellzug nach Berlin. „Dort erfahre ich bei Oberstleutnant R. die Auswirkungen des 30. Juni in allen Einzelheiten. Ich spreche dort Papst, der von seiner Verhaftung erzählt. Ich selbst stehe in ständigem Kontakt mit Grete. […] Im Juli fahre ich mit R. und seiner Frau Thyra nach Ahlbeck-Heringsdorf.“

Verbindungsmann Rudi (Leo Roth) muss 1934 Deutschland verlassen. Schellow trifft sich mit ihm 1935 in Brüssel und Scheveningen. Schellow, als Künstler unauffällig, bewegt sich des Öfteren im Ausland. Er befördert dabei auch Kassiber, in Gipsmasken versteckt, nach draußen. Beim Treffen in Scheveningen ist Grete dabei. Sie fährt zurück ins Reich. Nachfolger von Rudi wird Martin Schmidt (alias Dr. Ernst). [Martin Schmidt wird in der DDR Präsident der Deutschen Notenbank. Er gibt in der Stalinzeit 1951 für Gert Caden eine Bürgschaftserklärung anlässlich eines Überprüfungsverfahrens ab.]

Mit Dr. Ernst finden nun die wöchentlichen Treffs statt. Schellow bezieht 1934 eine Wohnung in der Meineckestraße als „repräsentative Basis“. Hier wird auch das Atelier für künstlerische Porträtmasken etabliert (… mehr). Ein Bericht darüber mit Bildbeilage im Berliner Tageblatt sorgt für große Aufmerksamkeit. Er wird sogar nach Nizza eingeladen, einen Kurs zur Unterrichtung in der Abformtechnik zu geben. Auch die Psychologische Abteilung des Reichswehr-Ministeriums interessiert sich. Darüber ergeben sich wiederum wichtige Verbindungen.

Grete informiert Schellow über die „Erkrankung“ (Verhaftung) von Dr. Ernst. Martin Schmidt wurde zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Schellow geht einige Zeit nach Freiburg, wo Oberst v. Rinck seit 1935 arbeitet. Neue Verbindungen werden geknüpft, so zu Graf und Gräfin Sponeck sowie Oberst Geyer, dessen Frau als Innenarchitektin den Auftrag für die Einrichtung von Görings Anwesen in der Wuhlheide hat. 1936 wird die illegale Arbeit fortgesetzt. Trotzdem nimmt er sich auch Zeit für Besuche in London bei Ilse und seiner Tochter.

„Die Verbindung mit Grete bleibt. Im Spätherbst ruft sie mich an und es kommt zu dem Treffen in Spindlermühle in der CSR (Riesengebirge) mit dem Genossen Nuding, der aus Moskau kommt und nach Paris zurückfährt.“ Auf getrennten Pfaden wird der Kamm des Riesengebirges überquert. Das Treffen beginnt in der Dämmerung und dauert bis spät in die Nacht, auch der nächste Vormittag wird benötigt. Nuding gibt Instruktionen und wird unterrichtet über die Lage, die getane und geplante Arbeit. Nuding teilt mit, dass Rudi (Leo Roth) in einem Partei-Verfahren steht, von Holland abberufen ist, weil er angeblich „Nachrichten an die Kapitalistische Presse weitergegeben und verkauft haben soll.“ [L. Roth wurde 1937 wie H. Kippenberger in Moskau in der Ljubljanka von Stalins Apparat hingerichtet. s.o. Quelle H. M. Enzensberger] Es wird ein weiteres Treffen mit Nuding 1937 zur Pariser Weltausstellung vereinbart. Das Treffen findet statt. Dabei rät Nuding, „die Arbeit abzubrechen und in die Emigration zu gehen.“ Schellow empfiehlt, vorerst noch „hart am Ball zu bleiben, die sich rapide zuspitzende Lage aus nächster Nähe zu sondieren. Nuding überlässt Schellow die Entscheidung […].“

Außen- und innenpolitisch wird die Lage immer bedrohlicher, der Terror nimmt zu. Der Spielraum für Schellow wird immer enger. Gert, Maja und Ruth Herrmann beschließen, nach Frankreich zu fliehen.