werke des malers gert caden (1891-1990)
Gert Caden gelangt mit seinem 2-Monats-Visum nach Paris. Dazu gibt es folgende Anekdote:
„Ostern 1938 fahre ich nach London. Auf der Hinfahrt warte ich in Aachen auf dem Bahnsteig auf die Abfahrt des Zuges. […] Ich bemerke (vom Bahnsteig aus) einen Mann, der mich scharf beobachtet, in meinen Wagen steigt und […] die mir gegenüberliegende Ecke belegt. Kurz vor Abgang des Zuges nehme ich Mantel und Koffer und gehe 2 Abteile weiter. Im Moment der Abfahrt des Zuges kommt der Herr mit seinem Handgepäck wieder in mein Abteil und setzt sich mir gegenüber. Beim Grenzübertritt, während der Passkontrolle, bittet er mich um Feuer. Wir kommen ins Gespräch. Er fragte, wohin ich fahre. Ich sage: ,Nach London.‘ ,Ach‘, sagt er ,Ich fahre nach Paris.‘ ,Da möchte ich gern mal wieder hin‘, sage ich. ,Warum nicht? Was gibt es da für Schwierigkeiten?‘, fragte er. Ich sage: ,Sie wissen doch, dass es für wehrfähige Männer bald keine Ausreise mehr gibt!‘ Er sagte: ,Wenn Ihr Pass in Ordnung ist […] darf ich mal Ihren Pass sehen?‘ Ohne zu zögern zeige ich ihm meinen Pass. ,O.k.‘, sagt er. ,Ihr Pass ist doch völlig in Ordnung, da macht es für mich keine Schwierigkeiten!‘ ,Wie das?‘, frage ich zurück. Es stellte sich heraus, dass dieser Herr Generalbevollmächtigter des Norddeutschen Lloyd für Rheinland-Westfalen ist. Er sagte: ,Wenn Sie aus London zurück sind, schicken Sie mir, eingeschrieben, Ihren Pass und ich gebe Ihnen das Visum.‘ Ich sagte: ,abgemacht.‘ In Liège trennten wir uns per Handschlag. […] Ich fuhr nach 14 Tagen zurück nach Berlin, schickte von da meinen Pass eingeschrieben nach Westfalen und hatte nach 14 Tagen ein 2-Monats-Visum nach Paris.“
In Paris bemüht er sich um die Einreisepapiere für Maja und Ruth, was letztlich gelingt. Im August 1938 beziehen alle drei an der Mittelmeerküste in Sanary sur Mer das Quartier „Ker Colette“, was sie sich mit Lola Humm-Sernau, der Sekretärin von Lion Feuchtwanger, teilen. Sanry sur Mer ist Zufluchtsort vieler Künstler und Schriftsteller, darunter auch Lion und Marta Feuchtwanger, Friedrich Wolf, Franz und Alma Mahler-Werfel, Alfred Kantorowicz und Ludwig Marcuse auf. „In diesem Kreise verläuft ein scheinbar noch ruhiger aber äußerst spannungsvoller Sommer in Sanary sur Mer.“
Das Münchner Abkommen verschaffte Hitler Spielräume. Nach dem Anschluss Österreichs folgt die Annexion der Tschechoslowakei, Abkommen mit Stalins Sowjetunion, Polen wird bedroht. Nach Kriegsbeginn gegen Polen und der darauf folgenden Kriegserklärungen Englands und Frankreichs an Deutschland werden Deutsche und Österreicher ab Herbst 1939 und andere étrangers indésirables – unerwünschte Ausländer – in Internierungslager verbracht.
Gert Caden kommt nach Les Milles bei Aix-en-Provence in eine stillgelegte, mit Stacheldraht eingezäunte Ziegelei. Es leben ca. 800 Internierte auf engstem Raum. Auch Fremdenlegionäre sind darunter, aber separat untergebracht. Der Ziegelstaub in den Gängen liegt fußhoch. Die Verpflegung „ist durchaus gut und ausreichend“. Man muss nicht arbeiten, doch „viele gehen freiwillig in die Arbeitskommandos“. Nach dem Abendessen „beginnt ein großes Palaver“. Die Emigranten stehen in Gruppen beieinander, tauschen sich über ihre Schicksale aus, teils „belangloses Geschwätz, durchtränkt mit Galgenhumor, Gerüchtemacherei, Wichtigtuerei und Aufschneiderei, dabei kleine Schiebergeschäfte aller Art, gegenseitiger Tauschhandel. […] In meiner Gruppe befinden sich: Peter Kast, Kantorowicz, Liebknecht (Robert, der unpolitische Sohn Karl Liebknechts, ein Maler), der Maler Edzard, Lippmann (Bildhauer), Lavres.“ Ab Februar 1940 ist es stiller auf den Gängen, da einige Internierte auf andere Lager verteilt werden. Eine nach Alter sortierte Gruppe, zu der auch Gert Caden gehört, wird im April nach Langlade, „einem malerischen, provenzalischen Weindorf“ als sog. Prestataires zum Arbeitsdienst verpflichtete. Gert Caden darf sich zusammen mit einem alten Köhler, Jean, ein Häuschen mieten.
[s. a.: Métamorphoses/Le Bec en l’air, Memory of the Camp des Milles 2013; Angelika Gausmann, Deutschsprachige bildende Künstler im Internierungs- und Deportationslager Les Milles 1939–1942, Ch. Möllmann 1997]
Im Mai marschieren die Deutschen in Belgien, Holland und Nordfrankreich ein. Jetzt werden auch die emigrierten Frauen interniert. So auch Maja Caden Sie kommt zunächst in ein Lager nach Toulon, später in das berüchtigte Camp de Gurs. Zuvor war sie noch bei Gert in Langlade. Erst im Juli, nach Entlassung aus Gurs, treffen sich beide wieder und fahren nach Sanary sur Mer. Im Juli kehren viele aus der Internierung in die Küstenorte im Süden zurück. Ein seltsames Leben beginnt. Frankreich ist in eine besetzte und eine unbesetzte Zone aufgeteilt. Noch war man in der unbesetzten Zone, aber wie lange? Man sieht bereits Wehrmachtsuniformen, die Zone wimmelt von Spitzeln. Auch nach Gert Caden wird sich erkundigt: „Wo ist der Caden, der 1925 das Chocolade-Kiddies-Plakat in Berlin gemacht hat?“ – ein Agent des II. Büros der Vichy-Regierung ist auf der Suche. Juden werden denunziert und verschleppt.
Feuchtwangers gelingt es, in die USA zu entkommen (s. a. Lion Feuchtwanger, Der Teufel in Frankreich). Ruth Herrmann bringt Cathérine zur Welt; Vater ist der Schriftsteller Friedrich Wolf. Sie kommt mit ihrer Tochter – da jüdisch – in einen Zwangsaufenthalt weit im provenzalischen Hinterland. Vermittelt durch eine befreundete Familie in New York erlangt sie endlich ein Visum nach Cuba. Kurz vor Grenzschließung kann sie mit Tochter Cathérine Europa via Spanien und Lissabon verlassen. Auch Gert und Maja Caden bemühen sich um ein Visum, „um der Mausefalle Südfrankreich zu entkommen“. Wieder sind die Freunde behilflich und verschaffen ein Visum. „Wir bereiten nun alles fieberhaft für die Ausreise vor, die davon abhängt, wann wir einen Schiffsplatz ab Marseille nach Casablanca (Marokko) erhalten.“ Bei einer (zufälligen) telefonischen Nachfrage erfahren sie, dass sie dringend nach Marseille kommen müssten, die Abreise stehe unmittelbar bevor. In aller Eile wird von Freunden Abschied genommen, unter denen sich auch Gerda und Joachim Epstein befinden, die später von den Nazis ermordet werden.
Vor Auslaufen des Schiffes finden noch Leibesvisitationen und Passkontrollen statt. Die Behörden kommen mit „Heil Hitler“ an Bord! In Casablanca müssen die Emigranten noch eine 14-tägige Internierung in einem „Maternité“ (Entbindungsheim) über sich ergehen lassen. Aber es gibt Ausgang, gutes Essen und Zigaretten! Dann klappte es endlich mit einer Überfahrt auf dem portugiesischen Frachter Nyassa. Aus Lissabon kommend, stießen auch Ruth und Cathérine in Casablanca dazu. Gemeinsam mit anderen Emigranten geht es über den Ozean in eine neue, ungewisse Zukunft.
Auf dem Schiff befindet sich auch Erich Jungmann, ehemals Reichstagsabgeordneter der KPD. (Friedrich Wolf teilte sich im französischen Internierungslager Vernet mit Jungmann die von Ruth zugesandten Lebensmittel.) Jungmann findet in Mexiko Asyl.
Bei den ausgiebigen, dreitägigen Kontrollen auf den Bermudas durch englische Behörden tritt zutage, dass der Immigration-Officer ein Dossier sämtlichen Briefverkehrs von Gert Caden mit London aus den Jahren 1938/39 vor sich hatte; da rein privat, gibt es keine Beanstandungen. Im Februar 1942 läuft das Schiff in den Hafen von Havanna ein. Nach kurzzeitiger Unterbringung im Quarantänelager Triscomia nehmen Gert und Maja Caden Quartier im Hotel Plaza bis Sommer 1942. Sie lernen Spanisch. Im Sommer erfolgt der Umzug in die Ampliacion de Almendares ganz am Rande von Havanna. Das neue Zuhause bietet einen weiten Blick „über den Dschungel nach dem Golf von Mexiko“ – eine Landschaft, die in den Gemälden und Grafiken von Gert Caden immer wieder auftaucht.
Durch brieflichen Kontakt mit Erich Jungmann in Mexiko, reift die Idee, in Cuba das „Komitee Deutscher Antifaschisten“ zu gründen, nach dem Vorbild des in Mexiko existierenden „Lateinamerikanischen Komitees der Freien Deutschen“ (Leitung: Schriftsteller Ludwig Renn, Sekretär: Erich Jungmann). In einem Aufruf in der Emigranten-Zeitschrift „Unterwegs“ im Juli 1943 wird zu einer erste Versammlung unter freiem Himmel eingeladen, auf der Gert Caden spricht. Es kommen zwischen 20 und 25 Leute. Am Vortag wurde Gert Caden noch von der Polizei vernommen, doch die kubanischen Freunde von der Frente Nacional Antifascista erwirken die Zulassung der Versammlung. Wirksame Unterstützung erhält das Komitee durch den in Lateinamerika sehr bekannten Schriftsteller Dr. Juan Marinello, durch Blas Roca, Gewerkschaftsführer Lazaro Peña, Hanibal Escalente (Herausgeber der Zeitung „Hoy“) und Carlos Rafael Rodriguez (später Minister unter Fidel Castro). So kommt es zur Gründung des „Komitee Deutscher Antifaschisten“ durch Gert Caden Er übernimmt den Vorsitz, Heinz Geggel wirde erster Sekretär, gefolgt von Ruth Herrmann. Ein monatliches Nachrichtenblatt erscheint, Verbindung zum mexikanischen Komitee wird unterhalten, Kontakte zu allen mittel- und nordamerikanischen Sympathisanten gepflegt. Ab 1944 erhält das Komitee die Möglichkeit, über einen kubanischen Sender auf Kurzwelle zweimal wöchentlich Richtung Deutschland zu sprechen (Radio COK). Die Beiträge beinhalten Informationen über den wahren Kriegsverlauf, den Terror der Nazis, Gedichte, Hörspiele und Aufrufe zum Widerstand gegen die Hitlerdiktatur. Die Aktivitäten des Komitees finden positive Resonanz in Artikeln der Associated Press. Gegenwind gibt es aus den USA durch Ruth Fischer (ehemalige Vorsitzende der Berliner KPD und Anti-Stalinistin, alias Elfriede Eisler, Schwester der Brüder Gerhard und Hanns Eisler ), die in der von ihr publizierten Zeitschrift „The Network“ von einem „Stalinistischen Komitee“ spricht. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wird das „Komitee Deutscher Antifaschisten“ in den „Freundeskreis Alexander von Humboldt“ übergeleitet, der ein offener Kulturverein sein sollte für alle liberal und demokratisch Gesinnten deutscher Sprache. Hier übernahm Heinz Geggel die Präsidentschaft. [W. Kießling, Alemania Libre in Mexiko, Akademie-Verlag Berlin 1974]
In der Emigration schuf Gert Caden ausdrucksstarke Gemälde und Grafiken. Als der Schriftsteller Juan Marinello die Bilder sieht, schlägt er vor, sie in der Universität von Havanna in einer Ausstellung zu zeigen. (… siehe Künstler-Vita). Nach dem Sieg der Alliierten über Hitlerdeutschland denken viele der Exilanten auch an einen Neustart in der alten Heimat. Aber die Rückreise nach Europa verzögert sich für Gert und Maja Caden. Visa müssen beantragt und und organisiert werden. Ruth Herrmann und Tochter Cathérine können schon 1946 mit einem sowjetischen Visum Kuba verlassen. Renn und die mexikanische Gruppe ist auch schon zurückgekehrt. Eine Zuzugsgenehmigung nach Frankfurt/M. liegt inzwischen vor. Doch erst im November 1947 gibt es im englischen Konsulat Entgegenkommen. Ein Schiff nach London steht in Aussicht, vorausgesetzt man hat Dollars. Diese werden durch Freunde aus New York bereitgestellt. So kann endlich die Überfahrt nach London erfolgen, wo Ilse und Tochter die beiden in Empfang nehmen. „Der Versuch, meinen Aufenthalt bei der Imigration zu verlängern schlug fehl. Aber wir bekamen einen kurzen Aufenthalt in Holland (7 Tage).“ Dabei wird die Gelegenheit ergriffen, endlich wieder Ausstellungen von Malerei der Moderne (Chagall, Kandinsky) und der Alten Meister (Rijks-Museum) in Muße wahrzunehmen. Es geht für ein paar Tage weiter nach Frankfurt am Main. Im Mai 1948 findet in Frankfurt noch eine kleine Ausstellung mit Arbeiten von Gert Caden statt, nachdem er bereits dabei war, im Osten Fuß zu fassen. (Das Reisegepäck kommt erst im Mai aus London in Frankfurt an.)
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