werke des malers gert caden (1891-1990)
Im Januar 1919 erlebt Gert Caden, dass der Einfluss der Soldatenräte eingeschränkt wird. „Der Kaiser geht, die Generäle bleiben.“ Bis März 1919 ist Gert Caden für den Soldaten-Rat tätig, dann scheidet er aus. Er kehrt nach Dresden Kleinzschachwitz zurück. Hier, in einer Villa mit Blick auf die Elbe, lebten die Eltern nach Ausscheiden des Vaters aus dem Militärdienst von 1916 bis 1942. Er teilt den Eltern seine zukünftigen Absichten mit. „Vater und Mutter sind über den Entschluss, Maler werden zu wollen, keinesfalls entzückt. Der Vater, jetzt Generalleutnant a. D., möchte den letzten Sohn in der Industrie unterbringen und ist tief enttäuscht über den Entschluss: Vater und Sohn entfremden sich.“
Dem Krieg entkommen, lebensbedrohliche Situationen gemeistert, mit besten Verbindungen, jung, talentiert, stürzt er sich voller Lebenshunger auf sein neues freies Dasein. Er nimmt Unterricht bei bei Karl Rade auf der Kunstgewerbeschule Dresden. Dort lernt Gert Caden die künstlerisch sehr begabte Lalla Bondi kennen. Lallas Vater ist der bekannte und vermögende Rechtsanwalt Felix Bondi – ein großer Kunstsammler und -förderer, Mitbegründer des Dresdener Museumsvereins. Er war Mitglied der deutschen Delegation bei den Friedensverträgen in Paris. Im Juli 1919 heirateten Lalla und Gert Caden und ziehen in die Villa Bondi auf der Commeniusstraße 33 (1945 zerbombt). Gert Caden hat auch ein Atelier auf der Bautzner Straße, wo er unter Anleitung des Prof. Hettner von der Akademie der Bildenden Künste Dresden seine künstlerische Ausbildung vertieft. Er ist ganz auf die Arbeit fixiert. Im Herbst 1919 gibt es einen ersten Riss in der Ehe. Lalla ist schwanger, „was mich hinderte, sofort […] zu brechen und auf und davon zu gehen.“ So richtet er noch in München-Ried ein Haus ein – auch um dem „Goldenen Käfig“ des Hauses Bondi zu entkommen. In München setzt Gert Caden seine Studien beim Maler Prof. Hofmann fort, der exaktes, strenges Zeichnen nach der Natur vermittelt. In Ried verkehrt er auch mit der Malerin Maria Marc, der Frau des im Krieg gefallenen Künstlers Franz Marc sowie Clara Burger, der Frau des ebenfalls gefallenen Kunsthistorikers Prof. Fritz Burger, dessen Buch Gert Caden im Lazarett so beeindruckt hatte, und erhält durch beide vielfältige Anregungen.
Sein Sohn Herbert wird im Januar 1921 geboren. Lalla kommt im März mit ihm aus Dresden nach Ried. Die Ehe entwickelt sich trotz allem nicht gut und wird auf Antrag Lallas noch im Frühjahr 1921 geschieden. [Lalla Bondi und Herbert Kaden mussten 1938 aufgrund der Judenverfolgung Deutschland verlassen. Sie fanden Asyl in England. Aufzeichnungen über das wechselvolle Leben Herbert Kadens finden sich in: Some Memories of My Life, Monastery of Christ our Saviour, Turvey, England.]
Gert Caden verlässt Ried, „Haus und ,Goldenen Käfig‘ und fährt in eine ungewisse, aber endlich befreite Zukunft nach Berlin.“ Vermittelt durch Freunde aus Kindertagen, die er am Starnberger See besucht hatte, kann Gert Caden wichtige Kontakte in Berlin aufnehmen. „Ich suchte den Kunstkritiker Adolf Behne auf, der mich an Bruno Taut, den Berliner Architekten weiterempfahl. Ich nahm mir bald ein Atelier auf der Düsseldorfer Straße 4 im Hinterhaus IV. Stock, das ich mir notdürftig mit primitiven Möbeln einrichtete, die mir eine Bekannte kostenlos zur Verfügung gestellt hatte. […] Das Kunsthaus Twardy auf der Potsdamer Straße und die Adressen, die ich durch meinen Freund, den Maler Stuckenberg am Starnberger See mitbekommen hatte, gaben mir erste Möglichkeiten an die Hand. […] Ich thronte in meinem Atelier, lebte von meiner kümmerlichen kleinen Pension, die ich als ehemaliger Offizier erhielt und genoss den heißen Berliner Sommer 1921.“ Gert Caden arbeitete und verfolgte mit großem Interesse die neuesten Strömungen in der Kunst: Kubismus, Futurismus, Dadaismus. In dieser Zeit lernt er die junge Medizinlaborantin Maja Loewe kennen und eine jahrzehntelange wechselvolle aber enge Beziehung/Ehe (bis 1980) beginnt. Majas Vater ist Justizrat Loewe am Landgericht Berlin. Die Familie Loewe lehnt diese Verbindung strikt ab, und der Justizrat äußerte: „Dieser Maler ist dein Malheur!“ Das junge Paar sucht ein kleines, gut beheizbares (!) Atelier und finden es auf der Spichernstraße 16/17. Entgegen allen Widerständen der Familie Loewe heiraten Gert Caden und Maja im Dezember 1921.
Bereits 1921 schließt sich Gert Caden der Gruppe der Internationalen Konstruktivisten an (… siehe Künstler-Vita). Manche der Konstruktivisten brachten die Arbeiten in Beziehung zur Politik. Hierzu zählten Lázló Peri und Alfréd Kemény (mit Spitznamen Durus): „Klarheit – Einfachheit – Festigkeit – Konsequenz.“ Eine Maxime, die sich auch Gert Caden zu Eigen machte. Im Winter 22/23 zeitigten die konstruktivistischen Arbeiten von Gert Caden erste Erfolge. Ein Relief wird angekauft (… s. Künstler-Vita). Die künstlerische Situation ist vielversprechend, doch durch die rasant verschärfte Inflation spitzt sich die soziale und damit politische Lage zu. In Hamburg und Mitteldeutschland entwickeln sich heftige Kämpfe.
„Wir beschließen, unser Atelier Spichernstraße aufzugeben und auf Reisen zu gehen: Erst nach München, dann nach Wien. Wir verkaufen das Atelier mit allen Möbeln an die Schauspielerin Helene Weigel und fahren […] nach München […] Ich nehme dort einen Auto-Fahrkurs und hole mir den Führerschein (den ich nie in meinem Leben später gebraucht habe).“
„In diesen Wochen erleben wir den Hitler-Putsch, Kämpfe und Schlägereien spielen sich direkt vor unseren Fenstern ab.“ Der Besuch einer Veranstaltung im Zirkus Krone, „um diesen Hitler einmal selbst zu sehen, wird nach fünf Minuten abgebrochen. Das hysterische Geschrei und die hypnotisiert dasitzende Menge“ lassen Gert und Maja den ganzen Wahnsinn dieser Bewegung erkennen. Daraufhin verlassen sie Deutschland und nehmen in Wien im Parkhotel Quartier. Das Geld reicht nicht weit, Freunde helfen. Es werden trotz finanziell angespannter Lage unbeschwerte Wochen mit neuen und alten Freunden verbracht. Dann fährt Maja zurück nach Berlin. Gert Caden bleibt noch, um an der Internationalen Theaterausstellung Wien 1924 teilzunehmen. Viele namhafte Künstlern lernt Gert Caden in Wien persönlich kennen. Darunter ist auch Robert Musil, mit dem er die Ausstellung besucht und längere Gespräche führt. (… s. Künstler-Vita).
Zurück gekehrt nach Berlin lernt Gert Caden in der Neujahrsnacht 24/25 Ilse Herrmann kennen. Sie beeindruckt besonders durch Scharfsinnigkeit und Witz. Ilse hat zwei Brüder und eine Schwester. (Schwester Ruth wird später mit in die Emigration nach Frankreich und Cuba gehen). Mit Ilse unternimmt Gert Caden alsbald eine Reise nach Paris.
In Berlin bekommt Gert Caden unter Vermittlung des Kunsthändlers Alfred Flechtheim die Aufträge zur Gestaltung von Plakaten bzw. Titelseiten für den Admiralspalast und das Große Schauspielhaus (… s. Künstler-Vita). Diese Arbeiten entwickeln sich erfolgreich. Maja und Gert Caden ziehen zusammen in die Fasanenstraße, wohnen nun wieder gemeinsam.
Der Freundeskreis erweitert sich um den Gütermakler Wenner aus dem Rheinland, der mit Frau und Kindern in Berlin wohnt. „[…] ein ebenfalls suchender, innerlich unruhiger Mann, künstlerisch interessiert […]“ Er hat in der Sächsischen Schweiz ein altes ziemlich verkommenes Gebäude in Waldumgebung gepachtet: das Erbgericht in Klein-Gießhübel. Der Vorschlag, dort einige Zeit zu verbringen, stößt auf allgemeine Zustimmung. Daraufhin schlagen Gert Caden, Maja, Ilse und Wenners hier ihre Zelte auf. Ilse übernimmt die Pacht, Wenner die Renovierung. Das Haus bevölkert sich zwischenzeitlich mit mit vielen Gästen und Freunden, Gast ist u. a. auch der Regisseur Hans Winge, mit dem Gert Caden in Wien bekannt wurde.
Hier in der Waldidylle der Sächsischen Schweiz widmet sich Gert Caden neben der künstlerischen Arbeit auch dem Studium der Psychologie. „Das Bedürfnis, etwas von den Rätseln dieser Welt zu verstehen, wird übermächtig. […] Mir scheint die Psychologie damals die Wissenschaft vom Verstehen des Lebens zu sein.“ Er arbeitet sich ein in die Lehren von S. Freud, A. Adler, C. G. Jung. Auch philosophische Fragen werden gestellt. „[…] Unter dem Primat des Intellektes stellte ich mir damals etwas ganz Bestimmtes vor: etwa: Gesundheit, langes Leben, bescheidener Komfort, friedliche Ko-Existenz (Marcuse). Damals hatte ich keine andere Sehnsucht als nach philosophischer Erkenntnis. […] Ich lernte, dass man nicht sieht, was man nicht sehen mag. Man sieht nur genau hin, wenn man dazu gezwungen wird, oder sich selbst dazu zwingt (der Arzt, der Künstler). […] Die Welt der Leidenschaften wird von den Dichtern immer dargestellt, aber von der Wissenschaft (auch vom Marxismus!) stiefmütterlich behandelt. Warum?! […] Ich erkenne, dass es keine andere Quelle der Erkenntnis gibt, als die intellektuelle Bearbeitung sorgfältig überprüfter Beobachtung = wissenschaftlicher Forschung. […] Ich lerne in dieser Zeit, dass die Wahrheit nicht tolerant sein kann, sie ist unerbittlich kritisch und lässt keine Kompromisse und Einschränkungen zu.“
Das Leben auf dem Lande tat allen wohl, doch 1928 zieht sie es wieder nach Berlin. Gert Caden beabsichtigt in Auswertung seiner Studien, Vorträge über Psychologie und Psychohygiene zu halten. Eine allgemeine Verunsicherung durch die Weltwirtschaftskrise 1929 verschafft den Vorträgen guten Zulauf. Mit einem der Zuhörer entspinnt sich ein längeres, zukunftweisendes Gespräch. „Der Berliner Arzt sagte etwa Folgendes: ,Alles, was Sie da gesagt haben stimmt und ist getragen von aufrichtigen humanistischen Ideen. Auch wird Ihr Vortrag und Ihr persönliches Auftreten dem einen oder anderen Ihrer Zuhörer praktisch helfen. Aber den Kern der Sache haben Sie noch nicht erfasst. Um den Kern der Sache zu erfassen, empfehle ich Ihnen ein eingehendes Studium des dialektischen und historischen Materialismus. Dann wird es Ihnen wie Schuppen von den Augen fallen, und Sie werden Klarheit gewinnen, nach der Sie – wie ich merke – ehrlich auf der Suche sind …“ Gert Caden beginnt, einige Werke von Karl Marx und Friedrich Engels zu lesen.
Das Verhältnis Maja – Ilse – Gert Caden musste in formale Bahnen gelenkt werden, da Ilse ein Kind erwartete. Gert Caden und Ilse heirateten. Das war möglich, da Maja und Gert Caden sich zwischenzeitlich scheiden ließen. Somit war die Vaterschaft der Tochter legitimiert, was seinerzeit eine wichtig Rolle spielte. [Ilse und Vera emigrierten 1934 auf Anraten von Gert Caden aus Nazideutschland. Vera lebt heute im Süden Englands.]
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